Damit kein Stapler mehr kippt
Ernüchternde Realität: Noch immer ereignen sich jährlich eine beachtliche Reihe an Unfällen mit Staplern. Dabei wären viele mit den richtigen Vorkehrungen vermeidbar. Ein genauer Blick auf Ursachen – und die passenden Lösungen.
Warum sind Unfälle mit Gabelstaplern so gefährlich?
Weil die Flurförderzeuge, auch wenn sie auf den ersten Blick wirken mögen wie behäbige, langsame Helfer, enorme Kraft und enormes Gewicht repräsentieren. Der übliche Stapler ist dreimal so schwer wie ein durchschnittliches Auto, kann trotzdem immerhin um die 20 Stundenkilometer fahren. Mit dieser Kraft könnte er buchstäblich Wände einreißen. Außerdem hat er seine Bremsen vorne, sein Gegengewicht aber hinten, was knifflig zu manövrieren ist. Und: Ein Stapler fährt nicht einfach nur durch die Gegend – er ist sinnvollerweise beladen, nicht selten mit schwerer Last. „Aus den sogenannten Kippunfällen resultieren nach wie vor die schwersten und bisweilen gar tödliche Unfälle“, sagt Jürgen Wrusch, Produkttrainer Gegengewichtstapler.
Wie hoch ist der jährliche Schaden durch Staplerunfälle?
Das ist schwer zu beziffern, aber: immens. Kein Wunder, allein in Deutschland ereignen sich jährlich über 30.000 Unfälle, an denen Gabelstapler, Hubwagen oder andere Flurförderzeuge beteiligt sind. Die Zahl blieb in den vergangenen Jahren erstaunlich konstant – inklusive 2020, wo aufgrund der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie eigentlich ein Rückgang der meldepflichtigen Arbeitsunfälle von rund 13 Prozent stattgefunden hat. Dabei kam es in Deutschland zu zehn Todesfällen. In anderen Ländern sind die Zahlen proportional ähnlich – rund 90 Todesfälle zum Beispiel jährlich in den USA.
Schwer zu errechnen ist der Schaden, weil er meist vielseitig ist: Es entstehen zum einen Kosten für Sachschäden oder für Reparaturen – aber auch krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern: „So ein Arbeitsunfall im Lager kostet allein personalseitig im Schnitt 1.000 Euro pro Tag“, sagt Wrusch. Noch gar nicht mit eingerechnet sind hier die Kosten für Lieferausfälle und Verzögerungen oder für den Imageschaden, den ein Unternehmen erleidet.
Wie viele dieser Unfälle wären zu verhindern?
„Die allermeisten ganz sicher“, schätzt Wrusch. Anhand der Statistiken lässt sich nämlich ziemlich gut herauslesen, was jeweils die Gründe für die Unfälle sind: sehr häufig Unachtsamkeit, unzureichende Ausbildung am Stapler oder schlicht die Architektur des Lagers – etwa eine schwer einsehbare Umgebung oder schlecht geplanter Verkehr. „Gerade in Bereichen, wo viele Fahrzeuge unterwegs sind, ist die Gefahr für Auffahrunfälle enorm“, sagt Janos Poppe, Produkttrainer Lagertechnik. Hinzu kommen immer wieder auch ganz banal „Verkehrsrowdys“. Mitarbeiter also, die aus Übermut Wettrennen veranstalten oder den Stapler bedienen, obwohl sie nicht dazu berechtigt sind – in manchen Fällen sogar alkoholisiert.
Wo beginnt der erste Schritt zu mehr Staplersicherheit?
Bevor der Stapler losfährt. Mindern lässt sich das Risiko durch richtige Schulungen sowie eine kritische Analyse der Gefahrenpunkte des Lagers. Aber auch ganz grundlegend, indem verhindert wird, dass die falsche Person das Fahrzeug steuert oder ein Stapler mit technischen Defekten überhaupt in Gang gesetzt wird. Möglich ist das mit sogenannten Pre-Shift-Checks, also Systemen, die vom Fahrer einen Sicherheitscheck verlangen, eine Identifikation seiner Person – oder auch einen Alkoholtest. „Gerade unerfahrene Nutzer können durch solche Checks in ihrer täglichen Einsatzprüfung unterstützt werden“, erklärt Wrusch. „Und darüber hinaus sind viele Unfallursachen eben auch die Folge von unkonzentrierten oder nachlässigen Fahrern.“ Verhaltensweisen, die nicht selten durch Müdigkeit oder Alkoholkonsum ausgelöst werden. Auch solche Gefahrenstellen lassen sich mit Zugangskontrollen in den Griff bekommen. Ebenso denkbar: individuelle Nutzerprofile, die zum Beispiel nur erfahrenen Mitarbeitern erlauben, Waren in großer Höhe einzulagern: „Sie können die Eigenschaften des Fahrzeugs ganz individuell auf ihre Mitarbeiter zuschneiden“, so Wrusch.
Was lässt sich gegen überhöhte Geschwindigkeit tun?
Moderne Systeme können mit ihren Sensoren eine Vielzahl von Parametern messen – und dann in die Fahrzeugsteuerung eingreifen. Zum Beispiel, indem sie die Geschwindigkeit verringern. „Wenn ein Fahrer gnadenlos über Schlaglöcher oder Betonschwellen brettert, erkennt der Sensor solche Schockereignisse“, erläutert Wrusch. „Anschließend wird das Fahrzeug in eine Schleichfahrt versetzt, ohne dass der Fahrer es verhindern kann.“
Wie schützt man den Fahrer vor unachtsamen Mitarbeitern?
Nicht immer sind die Fahrer schuld an Unfällen – genauso kann es passieren, dass Fußgänger sich nicht an die Fußwege halten oder die leisen Elektrostapler nicht bemerken. Abhilfe schaffen hier Lichtsignale oder auch Warntöne, die den Stapler schon aus der Ferne ankündigen. Übrigens eine Hilfe, die auch dem Fahrer selbst nutzen kann, ähnlich den heute in jedem Auto verbauten Warnsensoren. „Diese sind allerdings am besten geeignet für Umgebungen mit viel Platz und wenig Verkehrsaufkommen“, ergänzt Wrusch. Sonst kann es passieren, dass zu häufig Alarm ausgelöst wird.
Gibt es auch umfassende Lösungen, die mehrere Punkte gleichzeitig angehen?
Ja, die gibt es. Sicherheitssysteme auf Basis von Funkwellen reduzieren die Unfallgefahr flächendeckend im Lager. Und sie erlauben interessante und vielfältige Möglichkeiten, Risiken anzugehen. Dazu werden Fahrzeuge und Fußgänger, aber auch bestimmte stationäre Einrichtungen mit Funkmodulen ausgerüstet. Kommen sich nun Fahrzeuge oder Fußgänger in die Quere, werden beide gewarnt. Genauso können Fahrer gewarnt werden, die sich mit ausgefahrener Gabel einem zu niedrigen Tor nähern. „Mehr noch: Das System kann das Fahrzeug dann auch direkt abstoppen“, sagt Wrusch. „Was zu hoch ist, kommt nicht durch.“ Wrusch wurde selbst einmal Zeuge eines Vorfalls, bei dem ein Fahrer übersah, dass sein Hubgerüst zu weit ausgefahren war. „Das Gerüst hat überlebt, das Tor allerdings nicht – und die Halle war während der Reparatur nicht nutzbar“, erzählt er. Eine teure Unachtsamkeit.
Geht das auch ohne aufwendige Installationen?
Wenn es nur um das Risiko einer zu hohen Geschwindigkeit geht, durchaus – dann leisten auch auf dem Fahrzeugdach installierte Ultraschallsensoren einen guten Job. „Das ist vor allem sinnvoll, wenn Fahrer zwischen Outdoor und Indoor wechseln“, erklärt Poppe. „Draußen darf der Fahrer ja meist die Fahrzeugperformance komplett ausnutzen.“ Der Sensor erinnert ihn zuverlässig daran, dass das im Innenbereich zu Problemen führen kann.
Und wie vermeidet man nun die eingangs erwähnten Kippunfälle?
Ebenfalls mit Assistenzsystemen. Das Problem von umkippenden Staplern rührt meistens daher, dass der Schwerpunkt eines Staplers falsch durch den Fahrer eingeschätzt wird. Das sogenannte „Stabilitätsdreieck“ des Gabelstaplers ist selbst für geübte Fahrer bisweilen schwer zu fassen: Vielen leuchtet auch nach Schulungen noch nicht recht ein, warum die Stabilität ihres viereckigen Staplers in Wirklichkeit ein Dreieck darstellt – sie berechnen ihren eigenen Schwerpunkt falsch. Wer dann in der Kurve zu schnell fährt oder wer zu schwere Lasten zu hoch hebt, der kippt um. „Dieses Problem bekommt man aber relativ unkompliziert mit Assistenzsystemen in den Griff“, sagt Wrusch. Diese übernehmen die Berechnung, und das Fahrzeug bremst automatisch ab oder weigert sich, das Hubgerüst zu weit auszufahren. Assistenzsysteme können auch die Schwankungen von Hubgeräten unterdrücken. „Wer im Stress ist, macht Fehler“, bekräftigt Poppe. Dass Fahrer im Arbeitsalltag gelegentlich unaufmerksam sind, lässt sich nie völlig verhindern – aber mit den richtigen Vorkehrungen lässt sich sehr wohl vermeiden, dass dies zu gefährlichen und kostspieligen Unfällen führt.
Mehr zum Thema Sicherheit sowie zu den vielfältigen und smarten Lösungen, mit denen sich Unfälle und Schäden vermeiden lassen, können Sie auch hier im STILL Webinar nachschauen, das im Mai 2021 stattfand.
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